„Wir stehen an der Schwelle zum Web der KI-Agenten“
Interview zu KI und KI-Anwendungen mit Stefan Grill, Head of Innovation
Interview zu KI und KI-Anwendungen mit Stefan Grill, Head of Innovation
Unser Ziel ist sehr guter Content, der viel Inhalt transportiert, der nach vorne bringt, Ausstrahlung hat. Mit intelligenten KI-Assistenten machen wir unsere Kund:innen zu Influencern der Zukunft.
Stefan, seit 2022 gibt´s ja KI …
(lacht) So wirkt es immer, oder? Dabei gibt es KI schon viel länger – was allerdings wirklich eine neue Ära eingeleitet hat: Wir können jetzt mit Maschinen in unserer natürlichen Sprache reden. Das haben wir mit der Veröffentlichung von ChatGPT gelernt.
Bereits vor zehn Jahren haben wir bei 3pc mit KI angefangen. Damals drehte sich noch alles um semantische Technologien: Unser Redaktionsassistent hat beispielsweise Personennamen automatisiert mit der passenden Biografie verlinkt oder Fachbegriffe mit einem Glossareintrag. Das war ein richtiger Sprung! Aber mit unseren aktuellen KI-Entwicklungsprojekten ist es natürlich nicht vergleichbar, da arbeiten wir an KI-Agenten, super spannend …
Moment, bevor du uns das erklärst: Ist die KI denn schlauer geworden?
Wie man´s nimmt: Wenn du eine Frage in ChatGPT eintippst, unterhältst du dich mit einem LLM, einem Large Language Model. Das kennt Beziehungen zwischen den Wörtern und die Struktur der Sprache aus einer riesigen Menge an Trainingstexten. Dieses riesige Beziehungsgeflecht fungiert wie eine Art Wissensspeicher, der auf eine Eingabe in natürlicher Sprache eine Antwort in natürlicher Sprache liefert.
Das ist faszinierend und wirkt sehr menschlich. Nur: das LLM kann nicht wirklich etwas verstehen. Es kann nicht reflektieren oder selbständig aus Fehlern lernen. Es ist und bleibt eine komplexe – aber so gesehen auch dumme – Maschine.
Aber trotzdem: Am Anfang „wusste“ ChatGPT doch viel weniger als jetzt, hat mehr Fehler gemacht!
Ja, erinnere dich an abstruse Fehler wie Rezepte für „Fisch-Schenkel“ ganz am Anfang … (lacht) Schon fast schade, dass das KI-Modell immer weiter verbessert wurde.
Als ChatGPT im November 2022 auf den Markt kam, war das wie ein öffentliches Experiment: Alle Nutzenden haben die Modelle durch ihre Fragen trainiert. Unsere Daten wurden systematisch abgegriffen, um mit unserem Feedback die Qualität der Antworten immer weiter zu verbessern …
Welche Compliance verfolge ich? Will ich das Tor öffnen und die Daten meiner Nutzer:innen in die USA oder nach China schicken, wenn sie sich auf meiner Website mit einem Bot unterhalten?
Um es ganz klar zu sagen: Das lässt sich verhindern.
Gibt es nicht ohnehin immer Warnungen, dass Daten, die ich eingebe, sonstwo landen?
Ja, ein ganz wichtiges strategisches Thema! Auch für viele Kund:innen: Welche Compliance verfolge ich? Will ich das Tor öffnen und die Daten meiner Nutzer:innen in die USA oder nach China schicken, wenn sie sich auf meiner Website mit einem Bot unterhalten?
Um es ganz klar zu sagen: Das lässt sich verhindern. Inzwischen kann man Open Source-LLMs selber hosten – vorausgesetzt man verfügt über das Know-how und entsprechend leistungsfähige Server. Zudem drängen jetzt auch deutsche und europäische Cloud-Anbieter auf den Markt, die KI-Modelle quasi als Fertiglösung anbieten. So lassen sich schnell DSGVO-konforme KI-Anwendungen entwickeln und implementieren. Welche Lösung hier die richtige ist, entscheiden wir von Fall zu Fall gemeinsam mit unseren Kund:innen.
Du sprichst dauernd von „Modellen“, kürzlich ist mir sogar „multimodales Modell“ untergekommen – könntest du bitte mal erklären, was damit gemeint ist?
ChatGPT und Co., zum Beispiel Gemini, Mistral oder DeepSeek, werden als KI-Modelle bezeichnet. Wichtig ist: Es geht bei diesen aktuellen KI-Modellen durch die Bank um GPT-Modelle, das steht für Generative Pretrained Transformers. Sie sind also vor-trainiert, können neue Inhalte generieren und transformieren Antworten in natürlich klingende Sprache.
Multimodale Modelle können nicht nur geschriebene Sprache verarbeiten, sondern zum Beispiel auch gesprochene Texte oder visuelle Infos aus Fotos, Videos oder dem Livebild auf einem Monitor. Katze, Hund, Nachtpfauenauge? Eine Tabelle? Ein multimodales Modell erkennt nicht nur die Tabelle auf dem Bildschirm, sondern gibt auch gleich noch einen Überblick über deren Inhalt. Gerade die größeren neuen Modelle sind schon sehr cool!
Allerdings! Bloß Kaffee kochen können sie leider noch nicht …
Nein, herumlaufen können sie immer noch nicht, da fehlt die physische Repräsentanz. Zudem können sie noch nicht planen und eigene Ziele verfolgen. Schwarzeneggers Terminator liegt also noch etwas in der Zukunft.
KI-Modelle können noch nicht planen und eigene Ziele verfolgen. Schwarzeneggers Terminator liegt also noch etwas in der Zukunft. Dennoch: Sorglos sollte man mit einem freiwilligen Kontrollverlust nicht umgehen.
Aber wenn die KI anfängt, online selbständig Dinge zu tun?
Das muss man schon kritisch betrachten: Bei solchen Fragen geht es um Kontrolle. Grundsätzlich geben wir ja Kontrolle ab, wenn wir beispielsweise für unsere Hotelbuchung einen KI-Agenten losschicken, statt selber Reiseportale zu durchforsten und Geld zu überweisen. Dieser Kontrollverlust schreit geradezu nach Online-Betrug oder gezielten Angriffen auf größere digitale Infrastrukturen – sorglos sollte man mit den neuen Möglichkeiten nicht umgehen.
Gibt es keine gesetzlichen Regelungen, um das zu verhindern?
Doch, gibt es. Nicht zufällig wird gerade die Umsetzung der neuen EU-KI-Verordnung mit verschiedenen Schutzleveln heiß diskutiert. Normalerweise befindet man sich aber nicht im Hochrisikobereich. Wichtig ist, den User:innen klar zu machen, dass der freundliche Chatbot kein Mensch ist, sondern eine KI, und was das bedeutet. Es gibt schon sinnvolle und praktikable Lösungsansätze, ein wenig vergleichbar mit den Bannern für die Datenschutzeinstellungen.
Lass uns mal von der Theorie zur Praxis schwenken: Du hast eingangs gesagt, 3pc ist an spannenden Forschungsprojekten beteiligt – worum geht es da denn?
Aktuell sind wir in drei große Projekte involviert: Eines entwickelt eine KI-gestützte Augmented-Reality-Anwendung für den Betrieb und die Wartung industrieller Anlagen. Ein zweites bindet mit Mixed Reality Tools Kinder und Jugendliche in kommunale Planungsprozesse ein.
Unser neuestes Forschungsprojekt steht aktuell in den Startlöchern: Gemeinsam mit Partnern wie dem Fraunhofer FOKUS, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI und großen Anwendungspartnern wie der dpa geht es dabei um die Unterstützung redaktioneller Arbeiten durch generative KI. Sehr spannend!
Ziel ist, aufwändige Aufgaben mit KI-Assistenten zu vereinfachen. Um Raum zu schaffen für das, was eine KI nie ersetzen wird, was Menschen – und nur Menschen – können.
Unterstützung redaktioneller Arbeiten – was bedeutet das?
Ziel ist nicht, Redakteur:innen überflüssig zu machen, sondern aufwändige Aufgaben mit KI-Assistenten zu vereinfachen. Denk nur an den Bereich der Barrierefreiheit: Bildbeschreibungen und ALT-Texte oder auch Übertragungen von Beiträgen in Leichte Sprache könnte eine generative KI übernehmen.
Zu Vorbereitung von Beiträgen kann der Assistent in kürzester Zeit Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenstellen, aus internationalen Datenbanken, Artikeln, Fotosammlungen, Tabellen etc. – inklusive Bildvorschlägen und natürlich mit allen Quellenangaben. Material, mit dem man sofort weiterarbeiten kann.
Oder er bereitet Daten für interaktive Anwendungen auf, zum Beispiel vor Wahlen: Statistiken, Karten und Übersichten über alle Wahlkreise und entsprechende Texte zu Kandidat:innen lassen sich auf neue Art präsentieren.
Das klingt aber doch nach Arbeitsplatzeinsparung …
Nein, das sehe ich anders: Es geht um Vorbereitung oder Zusatznutzen. Die Anwendung schafft Raum für genau das, was eine KI nie ersetzen wird, was Menschen – und nur Menschen – können: Etwas Neues in Erfahrung bringen, vor Ort sein, mit gutem Gespür und Feingefühl journalistisch arbeiten.
Die KI kann Informationen rasch und in einer neuen Qualität bereitstellen. Sie kann die Basis für Artikel oder Beiträge anreichern und zusätzlichen Mehrwert schaffen, indem sie komplexe Inhalte transformiert und so für unterschiedliche Zielgruppen zugänglich macht.
Vergrößern wir damit nicht den ohnehin unüberschaubaren Nachrichten-Wust?
Nicht, wenn wir den KI-Assistenten nutzen, um richtig guten Content zu erzeugen. Dann spielt er eine ähnliche Rolle wie Influencer in den sozialen Medien: Die fungieren ja auch als Filter, suchen für uns aus dem unüberschaubaren Berg an News Themen aus und präsentieren sie.
Mit dem KI-Assistenten und sehr gutem Content, der viel Inhalt transportiert, nach vorne bringt, Ausstrahlung hat, erreichen wir das Gegenteil von „die Welt zuspammen“ – wir machen unsere Kund:innen zu Influencern der Zukunft.
Die nächste Herausforderung für jede Website: Überall wird es ganz selbstverständlich Chatbots geben. Weil das ja viel einfacher ist, als selbst nach einer Info zu suchen.
Qualitäts-Content statt Massenware – ich bin gespannt! Trotzdem erhalte ich bei jeder Google-Anfrage zigtausend Treffer …
Ich glaube, das wird bald der Vergangenheit angehören: Schon jetzt fragen ja täglich viele Millionen Menschen ChatGPT und Co., um eine Antwort zu erhalten, statt in Google-Treffern unterzugehen.
Und das ist erst der Anfang von etwas Neuem, das wird die nächste Herausforderung für alle klassischen Anwendungen, für Suchmaschinen, aber auch für jede Website: Auch für die eigene Internetpräsenz wird es ganz selbstverständlich Chatbots geben. Die suchen dann nur in meinen Inhalten und geben Nutzer:innen Antworten auf ihre Fragen. Weil das ja viel einfacher ist, als im Menü nach einer Info zu suchen.
Noch eine Stufe weitergedacht: Künftig wird jeder einen persönlichen KI-Assistenten auf dem Handy haben, statt selber Websites zu besuchen. App aufmachen, sagen, was ich suche und KI-Agenten losschicken, zurücklehnen.
Und die klassische Website ist Schnee von gestern?!
Nein, denn die KI muss die Informationen ja auch irgendwo herbekommen. Aber das Nutzungsverhalten wird sich eben grundlegend ändern. Nicht zufällig arbeiten wir gerade mit Kund:innen an KI-Agenten für ihre eigenen Webseiten, damit Nutzerinnen und Nutzer die Inhalte per Sprachsuche gut finden – das wird die Zukunft sein.
Wir stehen tatsächlich vor einem riesigen Umbruch: Was gerade entsteht, ist ein Web der KI-Agenten. Dort geht die Reise hin – wohin genau, das wissen wir noch nicht.
Eine unglaublich schnelle Entwicklung, eine echte Herausforderung! Das ist schon respekteinflößend – aber wir freuen uns darauf, diese digitale Zukunft zusammen mit unseren Kund:innen zu gestalten.
Das Nutzungsverhalten wird sich ändern – nicht zufällig arbeiten wir mit unseren Kund:innen an KI-Agenten für ihre eigenen Webseiten. Das wird die Zukunft sein.
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