Tim, ich dachte, Newsletter sind ziemlich oldschool. Heute stehen doch alle auf TikTok und Messenger – oder nicht?
Tim Bartholomäus: Das höre ich oft! Aber Newsletter werden tatsächlich gebraucht. Ja, der Newsletter war eins der ersten direkten digitalen Kommunikationstools und im Vergleich zu TikTok und Messengern ist er schon sehr lange ein Baustein im Kommunikationsmix. Aber das ist ja nichts Schlechtes, umso mehr Erfahrungswerte zu Newslettern gibt es!
Vor zehn Jahren dachte ich auch: „Newsletter? Liest doch keiner mehr, landet eh im Spam, ist irrelevant, höchstens etwas für Rabattaktionen.“ Und ja, viele nutzen sie immer noch nur als reines Marketingtool. Inzwischen bin ich anderer Meinung: In Newslettern steckt viel mehr Potenzial!
Potenzial übers Marketing hinaus?
Newsletter sind ein hervorragendes Werkzeug, um sich als Marke, Unternehmen oder Institution zu präsentieren und über die eigene Arbeit zu informieren. Mit einem Newsletter hole ich die Menschen in meine Welt, denn ich habe viel mehr Freiheiten, als mir die Vorgaben von Kanälen wie beispielsweise Instagram lassen: Ich kann Textformen und -länge, Aufbau und Gestaltung selbst bestimmen und mein Selbstverständnis vermitteln.
Bevor jemand einen Newsletter erhält, muss er oder sie sich auch bewusst angemeldet haben – das heißt, die Leute wollen die Infos wirklich haben. Das ist ganz anders als bei Social Media, wo Inhalte ungefragt in den Feed gespült werden: Die Aufmerksamkeit ist beim Newsletter viel höher. Außerdem funktioniert ein guter Newsletter als eigenständiges Produkt.
Was genau meinst du mit „eigenständiges Produkt“?
Newsletter können wie Editorials, Essays oder Reflexionen gestaltet sein. Sie sollten aus sich selbst heraus funktionieren: Viele nutzen Newsletter als Neuigkeiten-Pool oder Überblick. Da steckt eine eigene journalistische Leistung drin, wesentlich mehr als nur eine Linksammlung. Wenn ich einen Newsletter auf dem Handy lese, sollte ich die Grundgedanken sofort verstehen, auch ohne auf Verlinkungen zu klicken – er muss selbsterklärend sein.
Das klingt nach einem hohen Anspruch – worauf muss ich denn achten, wenn ich so einen „guten“ Newsletter versenden möchte?
Ja, der Anspruch hat sich definitiv verändert! Heute gibt es sogar Newsletter, für die Leute bezahlen – das zeigt, wie die Wertigkeit gestiegen ist. Ein Newsletter ist weit mehr als ein Info-Produkt.
Wichtig ist: Nicht überfrachten mit Bildern, Videos und Inhalten. Der Newsletter muss schnell und einfach zu überfliegen sein, auch auf dem Handy in der U-Bahn.
Auch Wiedererkennbarkeit ist wichtig, kleine Spielräume in der Gestaltung kann man aktiv nutzen. Am Anfang steht oft schwarzer Text auf weißem Grund, ganz plain. Von da kann ich fokussiert weiterentwickeln – nicht wie bei Social Media, wo es vor allem um Bild und Bewegtbild geht.
Aber sind Echtzeit-News nicht viel informativer?
Was ich an Newslettern besonders schätze: Ich lese sie maximal einmal am Tag, bin auf dem Stand – kein News-Ticker, der ständig aufploppt. Das ist klassischer und ritualisierter Konsum. Zum Beispiel bekomme ich den Newsletter einer großen internationalen Tageszeitung, einmal am Tag, da steht alles drin, was ich wissen will.
Apropos: Wie oft sollte man denn einen Newsletter versenden?
Das hängt völlig von der Institution und den Inhalten ab. Wenn ich etwas zu sagen habe, dann versende ich einen Newsletter – genau das bestimmt auch die Häufigkeit.
Wichtig ist, dass das regelmäßig und verlässlich passiert.
Klingt so, als hätte sich die Nutzung von Newslettern über die Jahre verändert …
Absolut. Durch die DSGVO und das Double-Opt-In entscheide ich mich bewusst für den Empfang, und dann erhalte ich ihn auch zuverlässig. Anders als beim Social-Media-Algorithmus, der mir Beiträge einfach nicht mehr anzeigt, wenn sie angeblich nicht relevant sind.
Oft heißt es ja, Messenger-Nachrichten hätten inzwischen den Newsletter abgelöst. Oder geht es da um unterschiedliche Zielrichtungen?
Ja, definitiv. Viele nutzen Messenger-Nachrichten, um aktuelle News zu pushen, während Newsletter eher für Hintergrund, Überblick und Einordnung stehen. Die Zielgruppen überschneiden sich, aber die Nutzung ist unterschiedlich.
Wem würdest du Newsletter als Kommunikationsmittel empfehlen?
Bei allem Potential von Newslettern sollte sich jedes Unternehmen oder jede Institution fragen: Welche Ressourcen habe ich, für welche Mittel möchte ich sie einsetzen? Nicht jeder braucht einen. Lieber keinen Newsletter als einen schlechten!
Gerade angesichts der Diskussion um KI-Agenten und darum, ob Websites überhaupt noch notwendig sind, bieten Newsletter aber eine gute Möglichkeit, direkt mit den Menschen zu kommunizieren – unabhängig davon, was die KI sagt. Wer sich anmeldet, umgeht die Filter der KI-Agenten.
Bleibt das kleine Problem, dass Menschen sich ja anmelden müssen – wie gewinne ich mehr Adressat:innen für meinen Newsletter?
Ganz klar: Indem ich transparent mache, was die Leute erwartet. Anstatt einfach nur einen Button zu setzen mit: „Hier zum Newsletter anmelden“, ist es wesentlich besser, den Mehrwert zu beschreiben. Bei größeren Institutionen ist Segmentierung nach Interessen und Zielgruppen wichtig – aufsplitten und gezielt beliefern! Da steckt riesiges Potenzial, weil man Bedürfnisse passgenau bedienen kann.
Um nochmal den Bogen zu schlagen: Tim, du bist ein großer Freund von Newslettern – obwohl sie auf den ersten Blick ein bisschen aus der Zeit gefallen scheinen …
(lacht) Ja, Newsletter sind echte Dinosaurier, aber sie haben überdauert. Sie bedienen ein Bedürfnis wie die Briefpost – etwas, das die Leute wirklich haben wollen. Was ich zusätzlich zu allem Genannten auch gut finde: Hinter dem Medium Newsletter steht keine große Firma, die die Plattform bestimmt, wie Meta und Konsorten. Ich kann ihn selbst machen, so groß oder klein ich möchte, auch wenn ich nur 20 Firmenkunden habe. Und ich kann mir das Leben auch einfacher machen, zum Beispiel mit dem 3pc-Newslettertool e-publisher:mail, das viele unserer Kund:innen gern und erfolgreich nutzen.
Schon in der Schulzeit haben Freunde, die ein Jahr im Ausland waren, Newsletter an Familie und Freunde geschrieben, um sie auf dem Laufenden zu halten. Das Prinzip ist geblieben: Menschen auf dem Laufenden halten, zeigen, wer ich bin, was gerade passiert oder was mich umtreibt – egal ob als Person, Institution, Unternehmen oder Marke.