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Der Staat als Partner: Gute Citizen Experience dank digitalisierter Verwaltung

Ein Interview mit unserem CEO Armin Berger

"Die fortschrittlichen, nutzer:innenfreundlichen Lösungen in der Privatwirtschaft setzen Standards, an denen sich auch öffentliche Dienste messen lassen müssen. Bürger:innen erwarten ähnlich reibungslose und intuitive digitale Erlebnisse, wie sie es von kommerziellen Plattformen gewohnt sind."

Armin, der Begriff "Citizen Experience” taucht zurzeit im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung immer wieder auf. Was versteht man denn darunter – und warum ist Citizen Experience wichtig für die öffentliche Verwaltung?

Citizen Experience bezeichnet die gesamte Erfahrung, die Bürgerinnen und Bürger mit den digitalen Dienstleistungen des Staates machen. Sie sind oft der erste Berührungspunkt mit dem Staat und prägen maßgeblich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen. Eine positive Citizen Experience kann dabei helfen, das Bild vom "Obrigkeitsstaat" zu dem eines Partners zu wandeln – eines Partners, der uns befähigt und unterstützt. Diese Entwicklung ist wichtig, denn sie ist eine Voraussetzung dafür, aktiv am demokratischen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Wie beeinflusst die User Experience in der Privatwirtschaft die digitalen Dienste der öffentlichen Hand?

Die fortschrittlichen, nutzer:innenfreundlichen Lösungen in der Privatwirtschaft setzen Standards, an denen sich auch öffentliche Dienste messen lassen müssen. Bürger:innen erwarten ähnlich reibungslose und intuitive digitale Erlebnisse, wie sie es von kommerziellen Plattformen gewohnt sind. Diese gestiegenen Erwartungen erfordern ein Umdenken von der öffentlichen Verwaltung und eine stärkere Fokussierung auf die Nutzer:innenfreundlichkeit ihrer digitalen Angebote.

Gibt es bei der Umsetzung von Citizen Experience in Behörden spezifische Herausforderungen im Vergleich zur freien Wirtschaft?

Wichtig ist erst einmal, tief verwurzelte und oft veraltete Verwaltungsprozesse zu überdenken und neu zu gestalten. In der Privatwirtschaft besteht das Hauptziel darin, Kund:innen zu gewinnen und zu halten. Behörden müssen Bürger:innenzentrierung aus einer anderen Perspektive betrachten – sie dürfen sie keinesfalls nur als Kund:innen sehen, sondern als Teilhabende und Mitgestaltende.

"Ein idealer Prozess zur Verbesserung der Usability sollte mit einer tiefgreifenden Analyse aktueller Gesetze und Vorschriften beginnen, um diese im Rahmen eines echten Bürokratieabbaus dann verständlich aufzubereiten. Erst dann macht es Sinn, digitale Dienste anzubieten, die nicht nur technisch umgesetzt werden, sondern auch für alle nutzbar sind."

Was sind die größten Hindernisse bei der Digitalisierung öffentlicher Dienste und wie kann man diese überwinden?

Die Digitalisierung in Behörden wird oft durch die Komplexität bestehender Verfahren und eine kulturell verwurzelte Scheu vor großen Veränderungen gebremst. Um diese zu überwinden, ist es wichtig, nicht einfach blind zu digitalisieren, sondern Prozesse zu hinterfragen und neu zu denken. Ein entscheidender Schritt ist es, ineffiziente Prozesse zu verschlanken und durch digitale Lösungen zu ersetzen, die sowohl verständlich als auch zugänglich sind.

Wie sähe denn der ideale Prozess zur Bewertung und Verbesserung der Usability bestehender digitaler Bürgerdienste aus?

Ein idealer Prozess zur Verbesserung der Usability sollte mit einer tiefgreifenden Analyse aktueller Gesetze und Vorschriften beginnen, um diese im Rahmen eines echten Bürokratieabbaus dann verständlich aufzubereiten. Erst dann macht es Sinn, digitale Dienste anzubieten, die nicht nur technisch umgesetzt werden, sondern auch für alle nutzbar sind. Dies beinhaltet die Entschlackung von Prozessen und deren Umsetzung in nutzer:innenfreundlicher Form.

Gibt es international gute Beispiele für erfolgreiche digitale Bürger:innen-Services – und was macht diese erfolgreich?

In Estland kann eine Vielzahl von Bürger:innenservices über ein zentrales Portal online in Anspruch genommen werden. Familienstandsangelegenheiten wie Heirat oder Elternzeiten können darüber geregelt werden. Die Gründung von Unternehmen lässt sich in nur 20 Minuten abwickeln. Darüber hinaus kann die sogenannte E-Residency für den Zugang zu diesen Diensten elektronisch beantragt werden. Diese Vereinfachung der Beziehung zwischen Bürger:innen und Staat sollte auch in Deutschland Schule machen.

"Künstliche Intelligenz wird zunehmend als Mittler fungieren, indem sie komplexe Informationen verständlich aufbereitet."

Wie sieht die Zukunft der Citizen Experience aus? Künstliche Intelligenz gewinnt generell an Bedeutung – könnte sie auch bei der Verbesserung der Citizen Experience eine Rolle spielen?

Künstliche Intelligenz wird zunehmend als Mittler fungieren, indem sie komplexe Informationen verständlich aufbereitet. Unglaublich hilfreich wäre es, wenn etwa eine KI bei der Steuererklärung spezifische Inhalte klarer darstellen würde. Damit könnten wir ein neues Maß an Empowerment erreichen, da Bürger:innen Zugang zu Informationen erhielten, die sonst schwer zugänglich sind.

Und wie sieht es bei uns in Deutschland aus – gibt es Beispiele für erfolgreiche digitale Bürger:innen-Services?

Auch wenn es nicht direkt aus der Verwaltung ist: Der Wahl-O-Mat ist ein herausragendes Beispiel für einen erfolgreichen digitalen Bürger:innenservice. Seit seiner Einführung im Jahr 2003 wurde er kontinuierlich weiterentwickelt, um Design und Benutzer:innenführung zu optimieren und somit eine optimale Citizen Experience zu bieten. Das Tool ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, auf einfache und barrierefreie Weise Zugang zu den Wahlprogrammen der Parteien zu erhalten, was sie – Stichwort Empowerment – zu einer informierten Wahlentscheidung befähigt.

Wie können wir die Aufgabe, Citizen Experience zu verbessern, gemeinsam angehen?

Um die Citizen Experience wirksam zu verbessern, ist es wichtig, von der bislang üblichen Top-Down-Kommunikationsstrategie abzurücken. Der Staat muss die Rolle eines Enablers, eines Möglich-Machers übernehmen: Er macht den Bürgern:innen komplexe Zusammenhänge verständlich und unterstützt sie darin, ihre Bedürfnisse und Erfahrungen einzubringen und in den Vordergrund zu stellen. Dies erfordert einen Paradigmenwechsel, bei dem die Bürger:innen nicht nur als Empfangende von Dienstleistungen betrachtet werden, sondern aktiv mitgestalten.

Über Armin Berger

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